Die Porträtsammlung Holzhausen

Allen Frankfurterinnen und Frankfurtern ist der Name „Holzhausen“ ein Begriff: Eine U-Bahn Station, ein Park, ein Wasserschlösschen und sogar ein ganzes Stadtviertel sind nach der Patrizierfamilie benannt. Weniger bekannt ist die Tatsache, dass die Familie über viele Generationen hinweg Kunst sammelte und sich die Mitglieder als stolze Frankfurter Bürgerinnen und Bürger porträtieren ließen.

Der letzte Vertreter des Frankfurter Zweigs der Familie, Adolf von Holzhausen (1866–1923), blieb unverheiratet und kinderlos. Daher hatte er bereits zu Lebzeiten seine Heimatstadt als Universalerbin eingesetzt und den jahrhundertealten Nachlass verschiedenen Institutionen vermacht: Etwa 70 Gemälde, darunter rund 60 Porträts, gingen an das Städel Museum über, das Familienarchiv wurden dem Stadtarchiv überlassen, der wertvolle Buchbestand der Stadtbibliothek (heute Universitätsbibliothek) und kunsthandwerkliche Gegenstände dem Museum für Angewandte Kunst. Das Holzhausenschlösschen, den Wohnsitz der Familie, übereignete er der Stadt.

Eine bürgerliche Ahnengalerie

Die Erfolgsgeschichte der Holzhausen hatte im Jahr 1243 ihren Anfang genommen. Damals ließ sich der wohlhabende, aus dem 20 km entfernten Burgholzhausen stammende Großgrundbesitzer Heinrich von Holzhausen in Frankfurt nieder und begründete eine Dynastie, die durch Handel zu Wohlstand und Macht kam. Wie keiner anderen Frankfurter Familie gelang es den Holzhausen, durch geschickte Heiratsallianzen mit anderen Patrizierfamilien – wie etwa den Bromm/Rauscher, Fichard, Günderrode, Zum Jungen, Kellner, Martorff, Stalburger oder Völcker – ihren Fortbestand über fast 700 Jahre zu sichern. Die Wappenahnentafel der Familie zum Jungen führt diese Praxis vor Augen: Mehrfach wurden Eheverbindungen mit Angehörigen der Familie Holzhausen eingegangen, deren Wappen an den drei fünfblättrigen, weißen Rosen auf schwarzem Grund zu erkennen ist.

Bis zum Ende der reichsstädtischen Zeit im Jahr 1806 stellte die Familie Holzhausen kontinuierlich Ratsmitglieder – 66 Mal besetzten Familienangehörige das Amt des Jüngeren oder Älteren Bürgermeisters und einmal das des Stadtschultheißen. Mit ihrem Selbstverständnis und ihrem Repräsentationsbedürfnis stand die Patrizierfamilie dem Adel in nichts nach.

Bereits im frühen 16. Jahrhundert, als die Porträtmalerei „in Mode“ kam, machte die Familie Holzhausen von dieser Gebrauch, um sich in repräsentativen Bildnissen darstellen zu lassen. Dafür wurde mit Conrad Faber von Kreuznach ein gefragter Vertreter der lokalen Renaissancekunst gewählt. Er schuf nicht nur das detailreiche Doppelporträt von Justinian und Anna von Holzhausen, sondern auch die Bildnisse des Hamman von Holzhausen, des Gilbrecht d. J. von Holzhausen und seiner Frau Anna von Ratzenberg, der Eheleute von Stralenberg (1, 2), des Heinrich vom Rhein zum Mohren sowie eines unbekannten jungen Patriziers.

Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts ließen sich die Holzhausen in jeder Generation in Bildnissen von namhaften Künstlern verewigen. So entstand im Laufe der Zeit eine Ahnengalerie, ein bürgerlicher Gegenentwurf zu adeligen Kollektionen, die den auf Geburtsrecht basierenden Anspruch auf Status und Einfluss visuell zu untermauern suchten. Zugleich liefert diese Galerie aber auch einen Überblick über die Frankfurter Porträtmalerei vom 16. bis zum 19. Jahrhundert und macht die Entwicklung von Bildkonventionen anschaulich.

Klein aber „oho“

Meist wurden Bildnisse anlässlich einer Eheschließung in Auftrag gegeben. Allianzbildnisse sind in der Regel in Bildformat und -komposition aufeinander abgestimmt, die Ehepartner werden einander zugewandt gezeigt und nehmen durch kleine Gesten oder Attribute aufeinander Bezug. Stolz ließ man aber auch die Nachkommen, die den Fortbestand der Linie garantieren sollten, porträtieren. So sind in der Ahnengalerie nicht wenige Porträts von Kindern enthalten, wie das der Schwestern Maria Jacobe und Susanna Völcker, des Johann Adolph von Holzhausen, der Margarethe Sophie Eleonore von Holzhausen, des Justinian Theodor Friedrich von Holzhausen, der Marie Sophie Friedericke von Holzhausen, des Carl Justinian von Holzhausen, der Henrietta von Holzhausen, des Anton Ulrich von Holzhausen oder des Georg Karl von Holzhausen. Wie es typisch für dynastische Bildnisse war, werden die Holzhausen-Kinder stets als „kleine Erwachsene“ gezeigt, die sich ihrer Position in Familie und Gesellschaft bereits bewusst zu sein scheinen.

Die Mädchen inszeniert man zurechtgemacht als vornehm gekleidete und vor allem als tugendhafte junge Damen, um sie als potentielle Heiratskandidatinnen für weitere aussichtsreiche Bündnisse zu präsentieren. Die Jungen werden hingegen in Uniform präsentiert und mit Attributen wie einem Hut mit Federbusch oder Waffen ausgestattet, um auf eine zukünftige militärische Karriere hinzuweisen. Im Bildnis des achtjährigen Georg von Holzhausen ist ein interessantes Detail auszumachen: Der im linken Hintergrund leicht beiseite geschobene Vorhang gewährt einen Blick auf ein golden gerahmtes Bild – womöglich ein Hinweis auf die Bildnisse der Ahnen, als dessen stolzer Nachfahre der Junge hier gezeigt wird.

Vice versa

Ebenso aufschlussreich wie die Vorderseite kann auch die Rückseite eines Gemäldes sein. Mit einem Blick auf die normalerweise verborgen bleibende Gegenseite lässt sich oft etwas mehr über die Entstehung des Werkes erfahren, beispielsweise ob es auf Leinwand oder Holz gemalt wurde und wie es in den Rahmen gelangte. Spuren von Restaurierungen, alte Inschriften, Klebezettel und Etiketten geben einen Einblick in die Geschichte des Objekts. Sie lassen auf Vorbesitzer und ältere Inventare schließen. Nicht selten diente die Rückseite aber auch als Malfläche, wie es bei den 1535 geschaffenen Allianzbildnissen der Eheleute Gilbrecht und Anna von Holzhausen der Fall ist.

Hier wurden die jeweiligen Familienwappen auf die Tafeln aus Lindenholz gemalt. Das Holzhausen’sche Wappen ziert die Rückseite des Herrenbildnisses. Zwischen der im Zuge einer früheren Restaurierungsmaßnahme des Damenbildnisses angebrachten Verstärkung ist noch das Wappen der Familie Ratzenberg zu erkennen: eine schwarze Tischwange auf silbernem Grund bekrönt von einem Löwenkopf. Die über den Wappen angebrachten Inschriften verraten zudem das Alter der Dargestellten: Gilbrecht war zum Zeitpunkt der Eheschließung 21 und Anna 24 Jahre alt. Die Rückseiten von Kunstwerken können die Forschung also ebenso bereichern wie die Vorderseiten. Auf der Webseite „Berühmte Köpfe. Frankfurter Porträtsammlungen“ können daher die meisten Bildnisse – sowohl Gemälde als auch Grafiken – von beiden Seiten studiert werden.